15. Feb. 2025
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Die unsichtbare Linie zwischen gut und schlecht

Liebe Freunde 

eine Freundin empfahl mir das Buch „Poetik“ von Aristoteles, das ich sehr gerne gelesen habe.

Die „Poetik“, geschrieben um 335 v. Chr., ist das älteste erhaltene Werk über Dramaturgie und das erste abendländische philosophische Werk über literarische Theorie, von dem wir heute wissen. Ich lernte viel für mein Storytelling und Geschichtenschreiben, aber es lehrt noch viel mehr.

Aristoteles sagte:

"...Es spaltete sich aber die Dichtung nach der den Dichtern eigentümlichen Sinnesart, denn die edler veranlagten ahmten sittlich gute Taten und Handlungen solcher Personen nach, die von niedriger Gesinnung aber die Handlungen schlechter Menschen, indem sie zuerst Spottlieder dichteten, wie die anderen Hymnen und Loblieder." Aus "Die Poetik" von Aristoteles um 335 v. Chr.

Nach dieser Aussage in der Poetik des Aristoteles scheint es eine unsichtbare Linie zu geben:

Diejenigen, die sich oberhalb dieser unsichtbaren Linie befinden, schauen nach oben und streben danach, tugendhafter zu werden, was sich in dem widerspiegelt, was sie schreiben (Hymnen auf tugendhafte Helden; Heldenepen, Hymnen und Lobgesänge auf Gottes Schöpfung und Gott selbst), während diejenigen, die sich unterhalb dieser Linie befinden, auf die anderen herabschauen und lasterhafter und bösartiger werden, was sich ebenfalls in dem widerspiegelt, was sie schreiben (Spottlieder, Satiren).

Mit anderen Worten: Je nachdem, in welche Richtung man blickt, beeinflusst dies die eigene Kunst und die eigene Lebensanschauung.

Während der Blick nach oben (von dieser unsichtbaren Linie aus) dazu anregt, tugendhafter zu werden und sich selbst zu verbessern, führt der Blick nach unten dazu, auf andere herabzuschauen, andere zu beschuldigen und die Ursache für das eigene Elend in der Schuld anderer zu suchen.

In der "Poetik des Aristoteles" beschreibt er auch, wie sich Dichter in der Verwendung verschiedener Versformen für Hymnen oder satirische Lieder unterscheiden. 

“In diesen Gedichten stellte sich auch das passende Versmass ein, deshalb wird es auch jetzt das jambische Versmass genannt, weil man in diesem Versmass sich gegenseitig zu verspotten pflegte. Von den alten Dichtern wurden dementsprechend die einen Jamben-Dichter, andere Epen-Dichter.” Aus "Die Poetik" von Aristoteles um 335 v. Chr.

Das fand ich sehr interessant und erinnerte mich an die Szenen im Kindergarten, wenn die Kinder die anderen auszählen. Sie verwenden eine andere Versform, einen anderen Sprachrhythmus, als wenn sie jemanden loben, bewundern oder preisen.

... das wirft die Frage auf ...

In welche Richtung dieser unsichtbaren Linie möchte ich (möchten Sie) blicken, zu welcher Gruppe von Menschen möchten Sie gehören?

Es ist offensichtlich, dass wir Menschen nicht gleichzeitig in beide Richtungen schauen können. Die Augen des menschlichen Körpers machen es einfach unmöglich, gleichzeitig in entgegengesetzte Richtungen zu schauen, also muss jeder von uns eine Wahl treffen:

„Wo will ich sein: oberhalb der unsichtbaren Linie, nach oben schauend, oder unterhalb der unsichtbaren Linie, nach unten schauend? Mit anderen Worten: Was für ein Mensch will ich in meinem Leben sein? Ein Mensch der Tugenden oder ein Mensch des Verderbtheit und des Lasters?“

Ich hoffe, dieses Zitat von Aristoteles hat Ihnen genauso gut gefallen wie mir. Bitte teilen Sie mir Ihre Gedanken dazu in den Kommentaren mit.

Herzliche Grüsse und alles Gute

Simone

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Das Vorschaubild zeigt ein Gemälde von Jean Poyer, April: Blumen pflücken und Kränze binden, aus dem Buch Hours of Henry VIII (um 1500).
Quelle: The Morgan Library & Museum, https://www.themorgan.org/collection/hours-of-henry-viii/10

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https://www.gutenberg.org/files/16880/16880-h/16880-h.htm